Um die Antriebswende in Deutschland voranzubringen, plant die Bundesregierung ein Social-Leasing-Modell für E-Autos. Wie wirksam ist dieses Konzept tatsächlich? Gibt es bessere Alternativen?
Zu diesem Thema haben wir mit Norbert Jagemann gesprochen. Er ist Geschäftsführer der cambio-Gruppe und erklärt, warum wir CarSharing anstelle von Social Leasing fördern sollten.
Die Bundesregierung will E-Autos für Haushalte mit weniger Einkommen erschwinglich machen. Das ist doch gut?
Norbert Jagemann: Grundsätzlich ist der Gedanke natürlich begrüßenswert, dass Elektromobilität möglichst vielen Menschen in Deutschland zugänglich gemacht wird. Die Bundesregierung will dafür den Weg nach französischem Vorbild gehen und E-Autos über ein "Social-Leasing-Modell" für verhältnismäßig günstige Monatsraten an die Leute bringen. Es gibt aber deutlich effizientere Alternativen, um erschwingliche (Elektro-)Mobilität anzubieten und Steuergelder zielgerichtet einzusetzen. Eine davon ist CarSharing.
Warum CarSharing?
Jedes E-Auto, das über Social Leasing finanziert wird, steht immer noch wie jedes andere Auto 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. Wir brauchen mehr als neue Autos für neue Käufergruppen, um den Herausforderungen im Verkehrssektor wirklich gerecht werden zu können: Klimaziele, soziale Teilhabe und begrenzter Platz erfordern insgesamt weniger Autos, nicht nur mehr elektrisch betriebene.
CarSharing-Fahrzeuge sind dagegen durchschnittlich sechs bis acht Stunden pro Tag auf der Straße und werden entsprechend effizient genutzt. Und jedes CarSharing-Auto ersetzt elf private Pkw. Damit bringt jeder Euro Investment in geteilte Mobilität ein Vielfaches an Nutzen im Vergleich zum privaten E-Auto.
Ist "Social Leasing" also nicht wirklich sozial?
Echte soziale Teilhabe erreichen wir durch Zugang zu Mobilität, nicht durch Eigentum. CarSharing kann all das leisten: Im Gegensatz zum Social Leasing brauchen CarSharing-Kund*innen keinen Stellplatz, kein Eigenkapital und sind an keine Laufzeit gebunden. CarSharing funktioniert komplett ohne Fixkosten, der Zugang ist niedrigschwellig und ermöglicht Teilhabe an Mobilität für alle.
Dann sollten alle CarSharing-Autos aber elektrisch fahren, oder?
Nein. Das ist ein Missverständnis, das wir immer wieder ansprechen. Jeder geteilte Verbrenner spart mehr Emissionen ein als jedes private E-Auto. Darüber hinaus ist die Umstellung auf Elektromobilität für CarSharing-Anbieter ein enormer Kraftakt (wie wir hier beschreiben). Nicht falsch verstehen: wir wollen elektrifizieren – aber nicht so schnell wie möglich und nicht um jeden Preis. Das wichtigste ist das Wachstum unseres Angebots.
Eine aktuelle Studie im Auftrag der Freien Hansestadt Bremen bestätigt genau das: durch ein moderates jährliches Kundenwachstum von 400 bis 800 Personen können wir genauso viel CO2 einsparen, wie wenn wir unsere komplette Flotte in Bremen elektrifizieren würden.
Was brauchen wir, um CarSharing noch schneller ausbauen zu können?
Die CarSharing-Anbieter der ersten Stunde (wie cambio, teilAuto und stadtmobil) betreiben ihr Angebot seit teilweise 35 Jahren eigenständig und ohne Finanzspritzen von Investor*innen oder Konzernen. CarSharing ist und bleibt eine Wachstumsbranche, könnte aber noch deutlich schneller wachsen. Dafür muss die Politik die geteilte Mobilität als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrachten – ähnlich wie den ÖPNV – und geteilte (Elektro-)Mobilität strukturell fördern.
Konkret bedeutet das:
- Kfz-Steuer für Verbrenner erhöhen.
Einnahmen können in Fördermaßnahmen für geteilte Mobilität und Elektrifizierung fließen. - Investitionszuschüsse für elektrische Sharing-Fahrzeuge
Bestehende und geplante Förderprogramme müssen für gewerbliche Sharing-Anbieter zugänglich sein. - Ladeinfrastruktur-Förderung für CarSharing
Für uns ist die Errichtung von Ladepunkten ein großer Kostenfaktor. Für mehr geteilte E-Autos brauchen wir Fördermaßnahmen für Ladeinfrastruktur.
Das volle Potenzial von CarSharing nutzen
CarSharing hat enormes Potenzial, unseren Verkehr besser zu gestalten. Und als Kund*in bekomme ich anstelle meines eigenen Autos meinen eigenen Fuhrpark, auf den ich jederzeit zugreifen kann. Und vor allem: den ich nur dann bezahle, wenn ich ihn auch nutze. Das ist echte soziale Verträglichkeit: Sharing anstelle von Leasing! Ähnlich argumentiert auch der Bundesverband Carsharing in einem aktuellen Positionspapier.
Vielen Dank, Norbert, dass du dir die Zeit für das Gespräch genommen hast!
Interview: Matthias Gräser
Bild: cambio.
Veröffentlicht am: 12.06.2025