„Der Deutschen liebstes Kind“ – ohne diese Floskel scheint kein Artikel über Automobilität auskommen zu können. Kaum ein anderes Land ist so eng mit der Automobilgeschichte verknüpft wie Deutschland. Doch woher kommt dieses enge Verhältnis zu einem Fortbewegungsmittel und wie hat es sich über die Jahre verändert?
Die Anfänge: Das Auto als Luxusgut
Ende des 19. Jahrhunderts legten Pioniere wie Carl Benz und Gottlieb Daimler den Grundstein für die Automobilindustrie. Carl Benz meldete 1886 den dreirädrigen "Benz-Patentwagen" zum Patent an, der als erstes Automobil gilt. Anfangs blieb das Auto jedoch einer wohlhabenden Elite vorbehalten. Erst mit der Massenproduktion in den 1920er-Jahren, inspiriert durch Henry Fords Fließbandfertigung, wurde das Auto für breitere Bevölkerungsschichten erschwinglich.
Das Auto im Nationalsozialismus (1933-1945)
Die Nationalsozialisten erkannten das Potenzial des Autos als Symbol für Fortschritt und Macht. Unter Adolf Hitler wurde das Projekt des "Volkswagens" ins Leben gerufen, das jedem Deutschen den Zugang zu einem erschwinglichen Auto ermöglichen sollte. 1938 begann der Bau des Volkswagenwerks in Wolfsburg, doch durch den Zweiten Weltkrieg wurde die zivile Produktion gestoppt und stattdessen auf militärische Fahrzeuge umgestellt. Die Autobahnprojekte dieser Zeit dienten sowohl der Propaganda als auch militärstrategischen Zwecken.
Nachkriegszeit: Das Auto als Symbol für Freiheit und Wohlstand
In den 1950er- und 1960er-Jahren erlebte Deutschland ein Wirtschaftswunder, und das Auto avancierte zum Inbegriff von Freiheit und Wohlstand. Modelle wie der VW Käfer wurden zu Ikonen dieser Ära. 1955 wurde der 1.000.000ste VW Käfer verkauft, was seine Bedeutung unterstreicht. Die Zahl der zugelassenen Pkw stieg rasant an. 1955 verzeichnete Deutschland einen Zuwachs des Kfz-Bestands um 19 %.
Gegenwart: Rekordzahlen und neue Herausforderungen
Heute ist das Auto aus dem Alltag der Deutschen kaum wegzudenken. Am 1. Januar 2024 waren in Deutschland rund 49,1 Millionen Pkw zugelassen – ein neuer Höchststand. Das entspricht einer Pkw-Dichte von 580 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner. Zudem besitzen 77 % der privaten Haushalte mindestens einen Pkw, und etwa ein Viertel der Haushalte verfügt über zwei oder mehr Autos.
Trotz dieser hohen Zahlen befindet sich die Automobilbranche im Umbruch. Themen wie Klimawandel, Umweltbewusstsein und die Notwendigkeit nachhaltiger Mobilitätskonzepte gewinnen an Bedeutung. Die Nachfrage nach Elektroautos wächst, doch sie machen bislang nur einen kleinen Teil des Gesamtbestands aus. Anfang 2024 lag der Anteil reiner Elektrofahrzeuge bei 2,1 %.
CarSharing: Ein Wandel im Mobilitätsverhalten
Parallel zur traditionellen Autonutzung wächst in Deutschland das Interesse an CarSharing, stationsbasierten CarSharing-Diensten und Free-Floating-Modellen. Besonders in Städten verliert das eigene Auto an Bedeutung, da sich alternative Mobilitätslösungen immer mehr durchsetzen. Laut dem Bundesverband CarSharing gab es Anfang 2024 über 4 Millionen registrierte CarSharing-Kund*innen in Deutschland – ein Anstieg von über 10 % im Vergleich zum Vorjahr.
Wer CarSharing nutzt, trägt dazu bei, dass die Nachbarschaft lebenswerter wird. Ein cambio-Auto ersetzt durchschnittlich elf private Pkw. Damit schafft CarSharing Platz in der Stadt. Für Fahrradwege, für Grünflächen, für mehr Lebensqualität in urbanen Räumen.
Und in Zukunft?
Die Liebe der Deutschen zum Auto hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt. Vom Luxusobjekt über ein Symbol für Freiheit hin zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand - das Auto bleibt ein fester Bestandteil der deutschen Kultur. Gleichzeitig gewinnen neue Mobilitätsformen wie CarSharing an Bedeutung. Der Trend geht hin zu einem nachhaltigen Mobilitätsmix, bei dem das Auto nicht mehr Besitz bedeutet, sondern eine flexible Dienstleistung darstellt.
Text: Catharina Oppitz
Bilder: iStock, cambio.
Veröffentlicht am: 25.02.2025