Ein Leben ohne eigenes Auto ist möglich. Blogger Heiko Bielinski ist davon so fest überzeugt, dass er darüber sogar ein Buch geschrieben hat: #Einfachautofreileben.
cambio: Es regnet und die Kinder quengeln. Bereust du es manchmal, ohne eigenes Auto unterwegs zu sein?
Heiko Bielinski: Nein. Mit dem Auto wäre es ja nicht besser. Da ist man dann im ersten Schritt vielleicht schneller unterwegs, aber bei uns in der Gegend hätten wir so schnell dann keinen Parkplatz gefunden. Die Kinder hätten dann auf dem Weg vom Parkplatz nach Hause gequengelt.
Wie sieht dein persönlicher Mobilitätsmix aus?
95 Prozent unserer Alltagsfahrten im nahen Umfeld machen wir ohne Auto. Je nach Anlass nutzen wir den ÖPNV, das Rad oder gehen zu Fuß. Das Auto nutzen wir nur, wenn es wirklich nicht anders geht – also wenn wir ins Möbelhaus fahren oder wenn wir für längere Strecken am Wochenende Verwandte auf dem Land besuchen, wo die Anbindung mit der Bahn sehr schlecht ist.
Wie fahrt ihr in den Urlaub?
Wir schauen, mit welchem Verkehrsmittel die Reise am angenehmsten ist. Wir fahren ja sehr gerne Zug, das ist gerade als Familie sehr praktisch. Manchmal legen wir dann eine Teilstrecke mit dem Zug zurück und fahren dann mit dem CarSharing-Auto oder einem Mietwagen weiter. Wenn das Ziel nicht gut an den ÖPNV angebunden ist, nehmen wir das CarSharing-Auto.
Woran erkenne ich einen guten CarSharing-Anbieter?
Die meisten Menschen verbinden ja mit CarSharing die Free-Floating-Anbieter. Ich glaube aber, dass ein stationsbasierter Anbieter eher dafür geeignet ist, ein eigenes Auto vollständig zu ersetzen. Als wir vor sieben Jahren unser Auto abgeschafft haben, war uns die Planungssicherheit bei stationsbasierten Anbietern wichtig. Das Auto parkt immer an der gleichen Station, man muss es nicht erst im Quartier suchen.
Und außerdem ist es ja so: Gerade bei den Free-Floatern sind die Anbieter oft nur kurz am Markt und verschwinden dann wieder. Uns war aber eine Verlässlichkeit wichtig. Und die gibt es eben bei den stationären Anbietern, die teilweise schon seit den 1980er Jahre am Markt sind. Uns war auch der Aspekt der Nachhaltigkeit wichtig. Und das findet man nur bei den Anbietern, die im Bundesverband CarSharing organisiert sind.
Merkt ihr einen Unterschied im Haushaltsbudget?
Auf jeden Fall! Uns war vorher gar nicht klar, was so ein eigener Pkw jeden Monat kostet. Klar, da kommt dann mal eine Werkstattrechnung, aber die hat man auch schnell wieder vergessen. Und der größte Posten ist ja der Wertverlust. Dieser große Batzen fällt nun weg.
Wir fahren im Jahr 10.000 -12.000 Kilometer. In einem „normalen“ Jahr, also ohne Corona, sparen wir 500-1.000 Euro pro Jahr an Mobilitätskosten. Und jetzt, unter den Corona-Bedingungen, sind das ja noch mehr. Wenn das eigene Auto weniger gefahren wird, wird der einzelne Kilometer noch teurer.
Was muss anders werden, damit mehr Menschen das eigene Auto abschaffen?
Das Bewusstsein muss sich ändern. Viele Menschen sind damit aufgewachsen, dass das Auto einfach das Hauptverkehrsmittel ist. Uns ging es ja nicht anders. Und es wird einem ja auch so einfach gemacht, mit dem Auto unterwegs zu sein. Die Infrastruktur in den Städten ist primär aufs Auto ausgerichtet, das Parken im öffentlichen Raum ist sehr günstig…
Damit mehr Menschen das eigene Auto abschaffen, muss ihnen klar sein, wie viel Geld sie damit persönlich sparen können und welche gesamtgesellschaftlichen Kosten der Individualverkehr verursacht. Die realen Kosten sind vielen Menschen, die ein privates Auto haben, gar nicht klar.
Deshalb habe ich auch das Buch geschrieben. Einfach, um zu zeigen: Ja, du kannst auch als Familie ohne eigenes Auto mobil sein. Und du musst dich nicht einschränken und auf nichts verzichten. Es kann sogar ein Gewinn sein. Wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
„CarSharing ist die einzige Form der Pkw-Mobilität, die sich energie- und flächeneffizient ins klimaneutrale Verkehrssystem der Zukunft einfügt. Die gemeinscha Ein Leben ohne eigenes Auto ist eine der besten Entscheidungen, die wir in den letzten Jahren getroffen haben.
“
Heiko Bielinski, Auto von #Einfachautofreileben
Welchen Kommentar zum Thema CarSharing kannst du nicht mehr hören?
Eigentlich keine. Es gibt allerdings eine ganz typische Reaktion: “Das geht ja nur in der Großstadt.” Das stimmt nicht.
Wir leben zwar in München und haben hier eine gute Anbindung. Aber natürlich gibt es auch in vielen kleinen und mittleren Städten CarSharing-Anbieter. Und oft ist dort die pro Kopf Versorgung sogar noch besser. Wenn ich das den Leuten sagen, sind die immer ganz überrascht. In der allgemeinen Wahrnehmung ist CarSharing oft ein rein großstädtisches Angebot.
Wo siehst du das Thema CarSharing in 15 Jahren?
Ich hoffe natürlich, dass sich das Netz der Anbieter noch vergrößert. Es ist einfach sinnvoll und dabei auch total effektiv, ein Auto mit mehreren Menschen gemeinsam zu nutzen. Es ist doch reiner Wahnsinn, dass ein privater Pkw im Schnitt 23 Stunden am Tag nur rumsteht. Dass wir uns das als Gesellschaft immer noch erlauben!
Dabei braucht es doch gar nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Städte aussehen würden, wenn die Straßen nicht vollgeparkt wären.
Hat sich durch CarSharing dein Fahrstil verändert?
(lacht) Auf jeden Fall. Ich fahre viel defensiver. Und ich überhole Menschen, die mit dem Rad unterwegs sind, mit viel mehr Abstand als früher.
Ich habe einen anderen Blick auf Mobilität bekommen. Wir gestalten unsere Mobilität ganz bewusst und überlegen uns, in welcher Situation welches Verkehrsmittel am besten geeignet ist. Das Auto ist dabei nur eine Möglichkeit von vielen. Und mir fällt auf, wie ungerecht es ist, dass dem Auto im Straßenraum so viel Platz eingeräumt wird.
Kannst du diesen Satz ergänzen: Ein Leben ohne eigenes Auto ist…
…eine der besten Entscheidungen, die wir in den letzten Jahren getroffen haben!
Vielen Dank, dass du dir die Zeit fürs Gespräch genommen hast.
Text: Catharina Oppitz
Bilder: Frank Bauer, cambio, Ulf Büschleb
Veröffenticht am: 19.01.2024